Donnerstag, 12. Juli 2018

Finale! - Auf zu den Velodromen! - 900 Km von Linz nach Novo Mesto und retour

Fortsetzung von "Auf zu den Velodromen! - Teil3"


Am 19. Mai um 18 Uhr fuhr ich nach sechs Tagen und 900 schönen, teils anstrengenden Kilometern in den Beinen am Linzer Hauptplatz ein. Wie zuvor mit meiner Frau telefonisch vereinbart, trafen wir uns dort gemeinsam mit meinem Stiefsohn Oscar.


Wieder zuhause am Linzer Hauptplatz!
Der kleine Empfang war herzlich, und fragte ich mich beim Start sechs Tage zuvor, ob ich überhaupt wegfahren sollte, so war in diesem Moment ein Gefühl aufgekommen, als wäre ich nie weg gewesen. Also, wo war ich? War ich bei der Fahrt kopfmäßig mit Navigation, Wetter und Zielerreichung beschäftigt, so waren meine Gedanken oft auch bei Familie, Freunden, Vergangenheit und Vorstellungen über die Zukunft. Wie wird meine ride53-Tour mit Start am 8. August verlaufen?

Zwei Tage zuvor am 17. Mai musste ich das Hotel in Kranj leider ohne Frühstück verlassen. Obwohl ich mich am Vorabend noch einmal erkundigte, ob ich um 7 Uhr damit rechnen könne, wurde auf mein Frühstück vergessen. Im Gebäude selbst befanden sich auch nur eine Reinigungskraft, die von nichts wusste, und ich, der hungrig war. Noch dazu wo ich so sehr auf zeitliche Regelmäßigkeit beim Essen stehe! Ich half mir mit den restlichen Müsliriegeln darüber hinweg, wobei ich schon etwas länger brauchte, um halbwegs in die Gänge zu kommen. Eine frische Brise wehte mir auf meinem Weg Richtung Österreich entgegen, und ich war gespannt, wie sich wohl die Überfahrt über den Loiblpass gestalten würde. Am Vorabend im Hotel wollte ich mich im Internet noch über Steilheit und Länge des Passes informieren. Ich stieß dabei auf Informationen über die Mauthausner Außenlager während des NS-Regimes nördlich und südlich des Passes, was mir leider bis dorthin nicht wirklich bekannt war. Für mich war diese Tatsache interessant, veranstalteten wir mit unserem Verein wenige Wochen zuvor, am 6. Mai, die Tour Gino Bartali von Linz nach Mauthausen. Den Gedenkstätten am Loiblpass werde ich 2019 eine eigene Tour widmen!
Die Passstraße von der Südseite zieht sich mit langen Rampen hinauf in eine wunderschöne alpine  Landschaft. Oben angekommen, musste ich leider durch diesen äußerst unangenehmen Tunnel, wo man als Radfahrer voll der Lärmkulisse des durchrauschenden Autoverkehrs ausgeliefert ist, auf die österreichische Seite. Nach dem Grenzposten, wo ich nur kurz gefragt wurde, ob ich eh einen Pass dabei hätte, ging es dann steil, gespickt mit vielen Kehren, runter ins Kärntner Land. Vor Ferlach legte ich noch einen kurzen Zwischenstopp bei der Tscheppaschlucht  ein, um auf einer Brücke die in der Luft aufwirbelnden Gischtperlen eines kleinen Wasserfalls als willkommene Abkühlungsgelegenheit zu genießen.
Gischtperlen in der Tscheppaschlucht
In Ferlach war dann eine Pause bei einem Geschäft angesagt, um meine Speicher wieder zu füllen. Vor der Eingangstür wurde ich Zeuge, wie ein Geldeintreiber auf einen im Schatten kauernden Bettlerjungen einredete, dass er seine Betteleinnahmen in den nächsten Tagen drastisch steigern müsse. Der Junge ließ sich nur kurz auf ein Streitgespräch ein bevor er seinem Drangsalierer entschlich, wobei der Geldeintreiber die vorbeischlendernden Einkäuferinnen mit einem verschmitzten Lächeln grüßte und dabei ein paar Münzen in seiner Hand salopp kreiseln ließ.


Die Sonne wurde stärker. Ich entschied mich mein langes Gewand gegen eine kurze Hose und ein kurzes Jersey zu wechseln. Das Navigationsgerät führte mich über eine Staustufe des Ferlacher Stausees, was wunderschön war, mich aber sogleich mit meinem Renner in eine waldige, steil bergauf führende Mountainbikestrecke führte. Dort machte ich sicher auf einen Kilometer zwei Kilometer, da mir permanent das Hinterrad auf dem feuchten Boden durchrutschte. Endlich oben angekommen, rollte ich Klagenfurt wieder auf Asphalt entgegen. Von Osten und Norden waren dunkle Wolkenformationen am Vormarsch, in welche ich mich direkt reinbewegte. Kurz vor Klagenfurt, in Lambichl, wollte ich mir bei einem Radgeschäft meine Reifen aufpumpen, immerhin, seit Start in Linz oder knapp 600 Km habe ich keine Luft nachgefüllt. Leider war das Geschäft auf Mittagspause und ich musste wo anders mein Glück versuchen. Beim Wegrollen, als ich in meine Pedale reinklicken wollte, hob ich kurz den Kopf, um einen Überblick beim Einbiegen in die Verkehrsstituation zu bekommen, erspähte ich ein seltsames Ensemble mit Jörg Haider-Bildern und leuchtenden Kerzen. Es wirkte wie ein kleiner Altar. Hier dürfte der tödliche Unfall des Kärntner Politikers geschehen sein. Komisch, wirkte doch die räumliche Situation der Unfallstelle in den von den Medien kolportierten Bildern insgesamt größer, aber in Wirklichkeit war alles ganz klein. In Klagenfurt zogen dann die Wolken so finster zu, dass ich kurz darüber nachdachte bereits ein Quartier zu beziehen. Aber ich hatte noch nicht genug Tageskilometer abgespult und fuhr weiter in die Finsternis.
Über St. Veit an der Glan führte mich der Radweg direkt nach Hirt zur bekannten Brauerei. Der Radweg ist direkt durch das Betriebsgelände geführt, wobei ein Hinweisschild darauf aufmerksam macht, dass Radfahrer am Betriebsareal abzusteigen hätten. Welch Witz, sind doch bei der Brauerei ein Biershop und ein Wirtshaus angegliedert. Ich nahm diese Einladung abzusteigen an und gönnte mir eine kleine Jause. Trotz stark aufkommender Winde setzte ich meine Reise Richtung Norden fort. Luft für meine Reifen konnte ich letztendlich in der von mitteralterlichen Bauwerken strotzenden Stadt Friesach einheimsen. Brav stellte ich mich im Fahrradladen von Familie Wulz hinter den anderen Wartenden an, um mir die Pneus wieder richtig aufpumpen zu lassen. Ein junger Kerl mit schmierigen Händen nahm sich meiner an, schnappte das Rad und schob es in die dunkle Werkstatt. Er fragte mich, ob ich auf Durchreise sei und ich erzählte ihm von meiner 900 Km – Tour Linz, Novo Mesto, Linz. Leise murmelte er in sich hinein „Ein Narrischer“, zog das Ventil ab und wünschte mir noch alles Gute auf dem Weg nach Hause. Die nächsten Kilometer waren nicht besonders attraktiv, führte der Radweg entweder direkt neben oder auf stark befahrenen Straßen. In Scheifling fuhr ich aufgrund eines Hinweisschildes zum Gashof Götzl, wo ich mir ein Zimmer nahm. Ich war der einzige Gast und genoß alleine in der rustikalen Gaststube eine saure Sulz. Im Nebenzimmer saß die Alt-Wirtin und schaute fern.

200 Kilometer hatte ich noch vor mir. Am Morgen sattelte ich mein Fahrrad auf, während mir der Hausherr, selbst Radsportler, noch Tipps gab, wie ich am besten fahren könnte. Die Alternativen waren nicht allzu groß, eigentlich gab es nur eine Variante, welche ich dann auch in Angriff nahm.
Kurz vor Pöls
Das frischgrüne Murtal führte mich bis nach Pöls, von wo weg ich die sanften Stufen bis nach Hohentauern nahm.
Der Hrinkow-Renner in Hohentauern
Zuvor hatte ich ein wenig Schiss vor dieser Strecke, denn ich kannte sie von Autofahrten und bewunderte immer Radfahrer, die dort hochfuhren. Es war aber wirklich mäßig. Viel wilder war für mich die anschließende Abfahrt nach Trieben, wo ich mit 70, 80 Km/h über den holprigen Asphalt schoss. Erleichtert erreichte ich Trieben, die Sonne kam raus und ich rollte über, für mich bis dahin unbekannte Straßen nach Liezen. Ich huschte noch kurz in einen Supermarkt, um mich mit Proviant auszustatten. Danach ging es zum Phyrnpass hoch Richtung steirisch-oberösterreichische Grenze. Auch dieser Anstieg war nicht allzu arg, aber ich musste mich über zu knapp überholende Autofahrer ärgern, denen ich oft den Stinkefinger hinterherwinken und ein „Oida, spinnst!?“ nachrufen musste. Bei der Abfahrt vom Phyrnpass erwischte mich der Regen, der mich ab nun bis zum türkis glitzendernden Steyr-Stausee in Klaus begleiten sollte.
Türkis, oder?
80 Kilometer von zuhause entfernt, setzte ich eine Nachricht auf Facebook ab, dass ich um 18 Uhr am Linzer Hauptplatz eintreffen würde, um feierlich ein Bierchen zu heben.


Am 8. August starte ich zu meiner 53-tägigen Tour zu 20 Velodromen in Europa, wer mich unterstützen möchte, kann das hier tun: https://paypal.me/pools/c/811OU4EyXz oder schreibt mir ein E-mail an johannes.staudinger(at)velodrom-linz.at