Mittwoch, 22. August 2018

Physical 

Heute um 7 Uhr als letzter von der Fähre in Harwich gerollt. Ich brauch halt immer etwas länger. Hab aber am Schiff noch einer betagten Dame geholfen ihre Reisegruppe zu finden. Dann war Konzentration angesagt, musste ich mich doch auf die neue Aufgabe den Verkehr betreffend erst einstellen. Ich war schnell drinnen im Linksverkehr, auch die Kreisverkehre hatte ich schnell intus. Schauen wir, wie‘s morgen ausschaut!-)

Grundsätzlich bin ich jetzt am Weg nach Derby, wobei ich mir den Anfang in England vom Plan her sachte einteilte. Ich ließ mich mehr treiben als ein konkretes Ziel anzuvisieren. Ich versuchte mit dem Navigationsgerät mal kürzere, mal längere Segmente auszutesten. So führte mich mein Weg über Colchester nach Shalford und weiter bis Balsham durch das landschaftlich grandiose Essex. Die Tour war wirklich traumhaft. Sanfte Hügel wechselten sich mit kurzen Stichen ab, denen spritzige Abfahrten folgten. Es war so gut, dass ich wünschte, möge es bitte nicht enden. Eine schwere Empfehlung meinerseits! Vielleicht freut es jemanden später wieder mit mir dort hinzufahren?!

Balsham hatte ich rein zufällig ausgewählt, weil ich mich anfangs nicht mit dem Navi nach Cambridge leiten lassen wollte, und auch noch nicht wusste, ob die Körner bist dort hin reichten. Balsham ist ein kleines Dorf noch in den Hügeln, Cambridge ca. 15 Km vorgelagert. Ich hielt beim Pub in der Mitte des Ortes und beschloss mir dort ein Bier zur Feier des Tages zu gönnen. Das Rad lehnte ich draußen an und so klackerte ich mit den Rennradschuhen ins The Bell. Drinnen lehnte die Barkeeperin gelangweilt an der Theke, ein Gast saß im Rollstuhl und starrte in den Fernseher, wo ein Fußballspiel übertragen wurde. Ein weiterer Gast mit Baseball-Cap trank spanisches Bier. Ich fragte, welches Bier sie mir empfehlen würden, nachdem ich den Weg von Harwich bereits hinter mich brachte? It depends, meinte Scott, der mit der Kappe, wie weit ich noch fahren möchte? Wir kamen ein wenig über meine Tour ins Plaudern, bestellte mir was Dänisches und setzte mich wieder nach draußen. Wenige Minuten später kam auch Scott heraus zu mir und fragte, ob ich irgendetwas für‘s Rad brauchen würde, er sei selber Rennradfahrer und weiß, dass man ab und zu Hilfe benötigt. Ich meinte, dass dem Renner eventuell etwas mehr Druck in den Reifen und etwas Öl auf der Kette gut tun würde. Scott fragte mich noch kurz, ob ich etwas Zeit hätte, denn er wohne gleich um‘s Eck und er hätte die Sachen zuhause. Eine viertel Stunde später waren die Reifen wieder auf 7,5 bar und die Kette surrte wieder wie neu, und dazu schenkte mir Scott noch ein paar Riegel, die würde ich brauchen, sagte er. Ich bedankte mich und rief Scott hinterher, dass ich ihm etwas schulde. Ich schulde ihm nichts, entgegnete er. Ich packte noch meine Sachen zusammen und eilte kurz ins Pub, wo ich das erste mal in meinem Leben auf Englisch flüsterte. Ich flüsterte der Kellnerin, dass ich Scott ein Bier bezahle, gab ihr das Geld dafür, und sie gab mir den Rest heimlich nickend zurück. Unterdessen sind drei weitere Kerle im Pub aufgetaucht. Ich fragte sie, ob sie einen Tipp hätten für ein B&B in der Nähe von Cambridge. Einer dachte kurz nach, ein anderer holte die Straßenkarte von Essex aus dem Auto, der dritte sprach mit mir über meine Tour. Schließlich kam man zur einhelligen Meinung, ich solle ins Youth Hostel ins Zentrum von Cambridge, zeigte mir den Weg auf der Karte, und bat mich, sollte ich irgendwann wieder vorbeikommen, sie nicht zu vergessen, in Balsham. Nun bin ich hier in Cambridge, in der Stadt von Olivia Newton-John, wo sogar das Rad ein eigenes Zimmer bekam.

Den morgigen Tag widme ich den junggebliebenen Sportskanonen Georg und Hans.


4 Kommentare:

  1. Rad samt Fahrer geölt, - da sollte nichts mehr schiefgehen :-)

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  2. Hannes, ich komme gerne mal mit zu einer Tour auf der Insel. Vielleicht gelingt es dir deinen Schwiegervater zu überzeugen, dann wären wir zu
    dritt.

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